Hans Castrup „Wunderland. Ebenda.“
Installation aus digitaler Audio/Video-Collage, Länge: ca. 24.00 Minuten und zwei Bild-Tafeln auf KAPA-Leichtschaumplatten, Format je 300×140 cm, Acryl/Öl-Mischtechnik (s. u.).
Entstanden 2020.
Die Collage funktioniert als nahtloses Loop.
Eingefügt sind akustische Versatzstücke der Stimme der Sängerin und Sprecherin Carla Worgull sowie von präpariertem Klavier und Xylophon.
Die akustischen Signale sind stark digital bearbeitet.
Die Bild-Tafeln entstanden in einer ersten Version im Jahr 2000 und wurden 2019 überarbeitet.
„Wunderland“ wurde als Werk-Block im Jahr 2019 begonnen, einzelne Teile tragen Untertitel.
Konzipiert ist der Block als in den Maßen flexible Installation mit, je nach Ausstellungs-Situation, möglichen Erweiterungen durch
– KAPA-Leichtschaumplatten mit Audio-Collagen
– Videos
– Fotografien/Digital Art
– Künstlerbücher
– lyrische Texte
– Tanz-Choreographie
– ein längeres Hörstück mit Musik und Text. Titel: „Wunderland. In und außer Sich(t).“
– ein Buch mit Kurzgeschichten
(Choreographie, Hörstück und Kurzgeschichten befinden sich z. Zt. in Arbeit.)
Zitiert wird hier aus dem Vorrat aufgezeichneter Bilder und Klänge im Archiv, sozusagen dem (digitalen) Funktionsgedächtnis des Künstlers, einem angeeignete[n] Gedächtnis, wie es aus einem Prozess der Auswahl, der Verknüpfung […] hervorgeht (vgl. A. und J. Assmann).
Dieses archivierte Funktionsgedächtnis sondiert Wirklichkeit und Phantasie hinsichtlich ihrer Auswirkungen und lässt sie in den Bildern und Klängen als durch den Künstler bearbeitete Formen in unterschiedliche Richtungen, Perspektiven und Dimensionen weisen, einander dabei überwuchernd und übergehend in ein Kommunikatives Gedächtnis (vgl. A. und J. Assmann) als einer Auseinandersetzung zwischen der Kunst und ihren Rezipienten.
„Wunderland.“ ist staats- und grenzunabhängig, stellt sich selbst infrage, bildet durch seine Erscheinung zugleich eine ironische Kritik an dieser, weist keine Lösung oder Entscheidungs-richtung auf. Und ist stets im eigenen Loop gefangen.
Die Ästhetik der digitalen Video-Bilder steht auf unsicherem Sockel. Ihre Momente der Schönheit wandeln sich im nächsten zum Schauerlichen und sogleich wieder retour.
Die Bild-Tafeln bieten dem fließend wechselnden Digitalen einen (scheinbaren) Ankerpunkt.
Die Audio-Collage besetzt eine eigene, die anderen umschließende, Dimension. Sie wird deutlich von der Idee der Dystopie bestimmt. Ihre schroffen Klänge konkurrieren, dunkle treten gegen hell/schrille an, bekämpfen einander. Die partiellen Sicherheiten der Bilder werden dekonstruiert.
Wunderland. Ebenda. = Ebenen. Unter-Grund = Ab-Grund.
Über-Höhung = Unter-Höhlung.
Über-Lagerung.
Die Installation stellt die Frage an sich selbst: Wirst Du Deine Versprechen halten?
Und gibt die Antwort: Nein. Das verspreche ich Dir.
Anmerkung:
Viele Aspekte der Installation werden aus literarischen Inspirationsquellen gespeist. Sie finden sich in einer Spanne zwischen Arno Schmidts „Schwarze Spiegel“ (Die Unendlichkeit wird zum […] inneren Mittelpunkt und wir haben durch den unsere Koordinaten gekreuzt, unser Bezugssystem und Maß der Dinge.) und Dietmar Daths „Neptunation“ (Vergleiche, Analogien, anders kann [man] hier nicht denken, wo doch das, was [man] sieht und erlebt, so weit weg ist von dem, was [man] schon gesehen und erlebt hat.).
Und wie sagte Friedrich Schiller treffend: Die Muse schweigt.
Weblinks
Eine Kakophonie sondergleichen, danach wünscht man sich tatsächlich in ein Paradies der Ruhe. Und auf einmal erscheinen einem die Alltagsgeräusche wunderbar fast paradiesisch!DANKE
A delightfully chaotic audio-visual nightmare that doesn’t exsist in my head, but I wish did! Sensational.
Wer die Arbeiten von Hans Castrup über die letzten Jahre verfolgt, findet sie hier wieder, die bestechenden Merkmale, die sein Werk bestimmt haben, bestimmen und fortschreitend sublimiert werden: eine hochgradig assoziative Bildsprache, die den Betrachter mit schlierigen Lungenflügeln, absurde Labyrinthe durchgleitend, in abgrundtiefe Höhen der Abstaktion erhebt, weit weg von den Bizarrerien des greibaren Lebens – und doch mitten hinein. Ich fühle mich verstört – und doch sanft einbettet in diesen Bildmahlstrom, dessen klangliche Begleiter mir vom Ufer Aphex-twinnös zugrinsen und mir dabei feurige Rettungsringe zuwerfen. Eigentlich ein Fall fürs Kino, wenn Kino nicht Kino wäre! Grandios!