
Könnte die steinerne Meerjungfrau dem See entstiegen sein?
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Frei flottierend durch die Kosmen der Bildgeschichte – so bewegen sich die Gegenstände, Pflanzen, Tiere und Menschen in Andrea G. Corciulos Bildern. Sie sind aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst, wirken schwerelos und zugleich bedeutungsschwer. In welcher Art Universum sind sie unterwegs – so uneindeutig und doch andeutungsreich miteinander verbunden?
Die einzelnen Fragmente stammen aus gefundenen Büchern, was ihnen eine Art bildgeschichtliche Patina verleiht. Aus ganz unterschiedlichen Kontexten entnommen, treffen sie nun im Bild assoziativ aufeinander wie die berühmte Nähmaschine und der Regenschirm im Surrealismus – und doch nicht ganz so zufällig. Auge und Gehirn finden Zusammenhänge in den traumhaft wirkenden Konstellationen. Sie deuten Geschichten an, aber erzählen keine zu Ende.
Stattdessen scheint hier ein labiles Gleichgewicht aus Dingen, Zitaten, Erinnerungsfetzen wie auf einer Bühne inszeniert, einem geheimen Drehbuch Folge leistend, ins rechte Licht gesetzt und lange Schatten werfend.
In mehreren Arbeitsschritten setzt der auch als Maler tätige Künstler dreidimensionale Papiercollagen im Atelier dramatisch beleuchtet in Szene und fotografiert sie. Anschliessend zerstört er die Originalcollagen.
Auf diese Weise werden verschiedene Ebenen durch Aneignung, Dekonstruktion und Neuanordnung überlagert. Arbeite auch das Gedächtnis auf diese Weise? Corciulo findet jedenfalls einen Ausdruck dafür, wie die grosse kollektive Bildgedächtniskiste zuweilen zauberhafte Arrangements zwischen Nostalgie und Befremdung hervorzubringen vermag. Dabei wirken die bedeutungsschweren Elemente trotz der grossen Schatten schwerelos. Die Vorstellungskraft überwindet die Schatten der Vergangenheit, sie verleiht den Erinnerungen Flügel.
Begleittext von Stefanie Hoch für die Ausstellung
„Über den Wolken – Anleitungen zum Abheben“
Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen
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