Auf den ersten Blick erscheint es ambitioniert und selbstlos unsere Erde retten zu wollen, oder das was davon noch übrig ist, um nur kurz danach feststellen zu müssen, wie komplex und irrational unsere menschlichen Gedanken und Vorstellungen zusammen arbeiten. Aber beides geht Hand in Hand, Irren ist menschlich, aber anscheinend eine Tugend, die kein Mensch mehr zugeben will, um damit auch Fehler im System zu erkennen und diese zu beheben. Mit dem Endziel die Erde retten zu wollen, dachte ich, müssten wir zuallererst die Menschheit verstehen, wie sie funktioniert. Natürlich auch hier, erscheint es mir als eine fast unlösbare Aufgabe. Aber einem Punkt muss man beginnen, und einen Anfang wagen. So entstand die Idee, einen fiktiven Stammbaum unserer Erde mit künstlerischen Mitteln umzusetzen, ein Indikator, eine Zusammenfassung, wenn auch subjektiv, eine Art Status Quo unserer Erde darzustellen, und damit mir selbst ein überdimensioniertes Spielfeld mit unzähligen künstlerischen Möglichkeiten zu bieten. Die Installation besteht aus konzentrischen Kreisen, vergleichbar mit einem herabfallenden Regentropfen, der ins Wasser fällt. Zuerst bilden sich kleine enganliegende Kreise, die sich dann immer mehr zum äußeren Rand in seinem Abstand vergrößern, bis sie irgendwann für immer verschwinden und eins werden mit dem Untergrund.
Diese konzentrische site specific Installation wächst organisch, eingebunden in einem meditativen und entschleunigenden Prozess. Meine erste kreisrunde ca. 300 cm Durchmesser Installation entstand im Jahr 2021 in der Galerie Deiglan in Akureyri, Island, als Abschluss einer einmonatigen Künstlerresidenz. In meinem Atelier fand ich eine alte rote Spielzeugrakete aus Plastik. Nicht umsonst fasziniert dieses Spielzeug kleine Kinder, und wird auch siegessicher als nicht geschlechtsneutrales Spielzeug angeboten. Diese Rakete bildete das Zentrum. Eine Rakete, als ewiges Symbol. Ein großer noch unerfüllter Traum der Menschheit, den Weltraum zu erobern, „Think Big and Bigger“, aber das große Scheitern oft schon vorauseilend, der diesen unendlichen Traum hoffnungslos zerstört. Die Kreise experimentieren mit neuen Verbindungen, und Symbole in Form von verwendeten Materialien als Platzhalter für unsere menschliche Zivilisation, decken die fragile Balance dieser Existenz auf. Gesellschaftliche und politische Unstimmigkeiten können ebenso ein Thema sein, ein Fluch oder Segen durch neue Technologien, aber auch Lösungsansätze, Ideen und kleine persönliche Notizen, wenn auch codiert, finden sich in dieser Arbeit wieder. Bewusst wird auch der Heimatbegriff in ein neues Licht gesetzt, weil die jetzt neu geborene Generation in eine Welt gesetzt wird, wo Migration und Nomadentum besonders durch unserem Klimawandel eine neue Dimension erreichen wird. Damit stelle ich die Gegenfrage auf, ob ein zurück zu den Wurzeln überhaupt der richtige Weg ist?
Die Umgebung, wo diese Arbeit entsteht, hat auch einen großen Einfluß auf die Installation. Ich bereite immer eine neue Sammlung von Naturmaterialien vor, gerne kohleartige Gesteine, totes Geäst, Kiesel und Blätter, die ich dann direkt vor Ort suche und für die Installation vorbereite. Oft verbinde ich diesen Teil der Arbeit mit einem Besuch am Ausstellungsort, um mögliche ortsspezifische Besonderheiten herauszufinden. Aber auch getrocknete Blätter aus anderen Regionen oder sogar aus anderen Ländern werden mit den vor Ort gefundenen Materialien invasiv kombiniert. Die getrockneten roten Beeren aus Island finden ebenso ihren Einsatz, wie gesammelte weiße Steine von der Ostseeküste, oder getrocknete Ginkoblätter aus einem Park in Berlin. So wie die Materialien für die Installation vergänglich wirken, und auch weiterhin in ihrer fragilen Existenz immer mehr der drohenden Zerstörung ausgesetzt sind, wird dadurch auch die gesamte Installation in ihrer Vergänglichkeit, existenzbedrohend gespiegelt.
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