Ex nihilo nihil fit
Die Urknall-Theorie beschreibt, stark vereinfacht gesagt, dass das Universum aus einem einzelnen, kompakten Punkt aus Energie und Materie hervorgegangen ist. Dieser Punkt, auch als Singularität bezeichnet, enthielt alle Informationen, die das Universum in Bewegung setzen konnten. Was vor dem Urknall war, lässt sich nicht sagen. Erst recht gibt es allenfalls Vorstellungsbilder, wie dieses Ereignis ausgesehen haben könnte.
So wie beim Urknall entspringen künstlerische Praktiken der Gegenwart einem Ursprung, aus dem sie sich entwickelt haben. Gleichwohl ist dies nicht immer ein kompakter Punkt, sondern es sind vielschichtige Prozesse, die von der Vergangenheit in die Gegenwart führen.
Meine geplante Arbeit hat ihren Ursprung im Stylewriting, also dem Graffiti. Buchstaben sind der Mittel- und Ausgangspunkt. Es geht darum, Buchstaben experimentell zu gestalten und zu arrangieren, gleichzeitig integriere ich Facetten aus Malerei und Grafik. Global betrachtet kann eine Verbindungslinie von den ersten Höhlenmalereien über antike und mittelalterliche Parolengraffiti bis zur heutigen Urban Art gezogen werden. Somit ist das, worin ich meine Kunst heute verorte, nichts, das aus dem Nichts entstand, sondern etwas, das sich auf einen Ursprung zurückführen lässt und sich aus einem bereits vorhandenen Stoff konstituiert.
Des Weiteren sehe ich die Arbeit als den Versuch eines (nicht ernst gemeinten) Bildgebungsverfahrens, das sich nicht an physikalischen Erkenntnissen, sondern an der Wortsemantik orientiert und einen Teil der Verbindungslinien sichtbar machen möchte. Hierbei ergeben sich weitere Verbindungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Kunst war immer bildgebend – auch für Ereignisse, die nicht beobachtbar waren, sondern nur imaginiert werden konnten. Als Beispiel der Gegenwart können Björn Dahlems Installationen schwarzer Löcher dienen, die er erstellte, bevor ein bildgebendes Verfahren entwickelt wurde, schwarze Löcher visuell einzufangen. Auf der einen Seite ergeben sich handwerkliche Korrelationen. Das Dosenstechen, also die gewaltsame Öffnung der Sprühdose, wodurch sich sämtlicher Druck entlädt und die Farbe im Akt eines kontrollierten Kontrollverlustes auf die Wand aufgebracht wird, ist eine Technik, die ich häufig anwende (und auch für diese Arbeit vorsehe), und die nicht erst im Graffiti Anwendung fand, sondern bspw. bereits von Niki de Saint Phalle für ihre Schießbilder genutzt wurde. Der dadurch erzeugte Farbauftrag symbolisiert Ausdrucksstärke und Explosivität und ist prädestiniert für die Visualisierung eines Knalls, womit der Malprozess zusätzlich eine performative Komponente erhält.
Neben der schriftbezogenen Urban Art verfolge ich vor allem gegenstandslose Malerei und bin in der Kunstpädagogik tätig.
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