»Compagno« – Latein: com »mit« und panis »Brot«, beschreibt die Person mit der wir unser Brot teilen.
Die Nahrungsaufnahme, eine alltägliche Angelegenheit, geprägt durch Raum und Zeit, Gefäße, Untergründe und Werkzeuge. Die Küche, Raum für die Essenszubereitung. Der Esstisch, ein Rahmen für die Zusammenkunft. Der Teller, umkreist eine individuelle Portion. Dazwischen ein Textil. Es soll den Tisch schützen, den Teller dekorativ in Szene setzen, den Raum beleben, Verbindung schaffen und einen Rahmen für die Platzierung gewisser Gegenstände schaffen. Essen – ein eingeübtes Regelwerk von Abläufen und in sie eingebundenen Objekten.
Die Etablierung einheitlicher Essensabläufe markiert den Beginn von Gemeinschaften. Jede Kultur bildet ihre wiederkehrenden Vorgänge und spezifischen Regeln aus, in denen sich reziprok ihre soziale Organisation und Verankerung widerspiegelt. Die Erkundung von Vorgängen beim Essen ist somit auch eine Erkundung der jeweiligen Kultur selbst. Claude Lévi-Strauss und Mary Douglas reden von Essen ähnlich wie von Sprache als eine Art Code, der Muster sozialer Beziehungen ausdrückt. Es ist eine non-verbale Form der Kommunikation. In einer heterogenen Gesellschaft ist die Gemeinschaft beim Essen nicht nur von tradierten Normen und Artefakten geprägt, sondern auch vom Hintergrund jedes Einzelnen. Der Akt des Essens dient dann über die Stärkung von sozialen Beziehungen hinaus auch dem kulturellen Austausch.
Mit der Etablierung von Convenience Food, das den Ablauf von Nahrungszubereitung und Nahrungsaufnahme immens beschleunigt, sind wir in einen Dualismus von Effizienz und moralischem Disput nachhaltiger und gesunder Ernährung geraten. Einerseits scheint es als verliere das gemeinsame Essen zugunsten anderer Tätigkeiten an Bedeutung. Andererseits, zumal in Zeiten sozialer Distanzierung, rückt seine Wichtigkeit umso mehr ins Bewusstsein.
Wie lassen sich Grenzen beim Vorgang des Essens zunächst sichtbar machen, graduell überwinden und schließlich das soziale Gefüge beim Essen durch Interaktion stärken?
Compagno besteht aus einem Set von Textilien und Objekten, die für eine experimentelle Form des Essens genutzt werden. Eine Stoffbahn, umfunktionierbar zu einer Tasche, um verschiedene, auf die Anwendung abgestimmte Behältnisse zu transportieren. Entfaltet lässt sich das Textil in unterschiedlichen festgelegten Längen auslegen, die wiederum die Distanz der Beteiligten, jeweils an ihrem Ende platzierten Personen definieren. So kann der soziale Raum zwischen den sich Gegenübersitzenden variiert werden, von intimer über persönlicher, bis hin zur sozialer und letztlich öffentlicher Distanz. Die Textilien werden entfaltet, erweitern sich auf ein zweites Individuum und multiplizieren sich potenziell auf eine unbegrenzte Anzahl von Personen.
Das Textil macht einen unorthodoxen Austausch von Objekten möglich. Leichte mit einem Deckel verschlossene Schalen gleiten von Einem zum Anderen, transportieren Aromen und Geschmäcker, werden zum Gegenstand der Interaktion. Der performative Charakter des Vorgangs soll die gemeinschaftsstiftende Wirkung des Essens verstärken. Ungewohnte Erfahrungen mit sich und dem Gegenüber beim gemeinsamen Austausch und Erkunden der kulinarischen Objekte korrelieren mit neuen Dynamiken des kollektiven Speisens. Statt erprobten Ritualen zu folgen begibt man sich in ein Experiment, das unabhängig von kulturellem und sozialem Hintergrund erfahrbar ist.
COMPAGNO
Henrieke Neumeyer
Marleen Bauer
Vaia Tatopoulou
2020
Die kollaborative Arbeit ist im Rahmen eines Semesterprojekts an der Kunsthochschule Weißensee Berlin entstanden.
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