


„In Chemnitz wird das Geld erarbeitet, in Leipzig vermehrt und in Dresden ausgegeben", heißt ein altes Sprichwort aus den Blütejahren einer Stadt, die heute immerzu vergreist: Deutschlandweit ist der Altersschnitt der Chemnitzer im Vergleich zu anderen Städten am höchsten. Zugleich sinkt der Anteil an unter 15 jährigen auf zehn Prozent, was ebenfalls einen Superlativ darstellt: Ergo den niedrigsten Wert einer deutschen Großstadt.2 Überregional dominieren Schlagzeilen über Rechte und Neonazis das Bild der Stadt.
Eine apokalyptische Anmutung: Der Leerstand und Verfall ist omnipräsent neben Plattenbauten, dem ein oder anderen Jugendstil Bauwerk sowie flächendeckenden Betonwüsten. Was ist hier los und was erwartet man überhaupt, wenn man sich nach Chemnitz aufmacht? M. sitzt mit ihrem Freund C. im Zug nach Chemnitz, ihnen gegenüber ein junger Mann, S., aus einem arabischen Land mit dem sie ins Gespräch kommen. Sie fragen ihn vorsichtig: „Wie ist es so?“. Er findet es furchtbar und möchte weg, muss aber noch zwei Jahre dort bleiben bevor er seinen Ort wechseln darf. Er fragt C.: „Bist du Araber?“. C. ist Halbkolumbianer und fährt zum ersten mal nach Chemnitz. Ihm ist der Osten suspekt und deshalb meidet er ihn gerne. „Färb’ dir trotzdem lieber die Haare.“, antwortet S. Das sitzt.
Annemie Martin, die in Berlin lebt, fotografiert Chemnitz. Ihre Bilder sind Skizzen der Annäherung an eine fremde Stadt. Leerstand und Verfall werden zu Räumen der Möglichkeiten – auch und vielleicht gerade für die wenigen Jugendlichen. Eine immergrüne Pflanze im Schnee, eine Karl-Marx-Büste auf Wellblech, eine einsam leuchtende Werbetafel ohne Transparent: Martins Arbeiten zeichnen eine melancholische, fast romantische Atmosphäre der Tristesse. Sie sind keine Ortsbeschreibung, kein Abarbeiten von Stereotypen des Ostens, kein nüchternes Dokument. Sie sind fiktiv, aber wahr.
„In symbolisch-rätselhaften Bildern porträtiere ich eine Stadt, deren Zukunft plötzlich da zu sein scheint und trotzdem völlig ungewiss ist. Denn was ist und was wird aus Chemnitz? Eine linke Szene existiert, AfD Wähler*innen auch und man läuft mit beklemmenden Gefühlen umher wenn man daran denkt, dass jede*r Vierte diese hier wählt. Die Serie Chemnitz – Stadt der Moderne soll diese bedrohliche Stimmung andeuten und die Ungewissheit bewahren. Denn was kommt, sollte zwar (fotografisch) verfolgt werden, ist aber noch Zukunftsmusik. Zu sehen ist ein momentanes Innehalten vor dem vielleicht noch größeren Beben oder womöglich das Erblühen eines immergrünen Strauchs im roten Licht.“
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Tolles Konzept und Text!