»Ich liebe Los Angeles. Ich liebe Hollywood. Es ist so schön dort. Alles ist aus Plastik, und ich liebe Plastik. Ich will selbst aus Plastik sein«
Andy Warhol
Alles ist heutzutage aus Plastik.
Das Erste, was Du hoffentlich morgens auf deiner Zunge spürst, sind die Abrasivstoffe Deiner Zahnpasta, um Deinem Lächeln das klarste Weiß zu garantieren. Ohne Acrylat-Crosspolymere würde Deine Hautcreme weitaus dünner sein, und so fühlt sie sich doch viel geschmeidiger auf der Haut an. Du ziehst Deine zu 85,7% aus Plastik bestehenden Sneaker an, für die Du zwei Monate gefastet hast, und joggst an einer Werbetafel vorbei, die für eine Parachute-Hose aus Nylon wirbt. Zum Abendessen gibt es heute Pangasiusfilet aus der abblätternden, alten Teflonpfanne, und wie gut, dass man die Gräten heute nicht mehr entfernen muss, da nimmt man gerne das bisschen Plastik im Gewebe in Kauf. Und weil die Welt draußen so dunkel und gefährlich ist, geht es danach auf die Microfiber Couch, eine Hand am neuesten Smartphone, die andere in der Chio Chipstüte. Und vor der neuesten Öko-Doku auf Netflix fallen Dir langsam die Augen zu.
Und wenn Du dann träumst von den Bergen aus Müll, die Dein und unser Konsum anderswo baut, wenn Du im Traum verstehst, dass die Müllinsel im Pazifik inzwischen 19 Mal so groß wie Österreich ist, und wenn Du im Traum über wunderschöne Strände stolperst, vorbei an Tierleiche nach Tierleiche, aus deren Eingeweiden Plastik explodiert, dann könntest Du langsam erkennen, dass der Teufel im Detail steckt, wenn man damit wieder aufhören möchte.
Dir könnte bewusstwerden, dass wir so bequem geworden sind, dass keine plastikfreien Werkstoffalternativen unsere Bedürfnisse noch befriedigen können. Kannst Du dich auch so klar an die letzte Party erinnern, wo jemand am Nörgeln war, dass Strohhälme aus Bambus einfach nicht das Wahre sind? Und auch, dass die Natur keineswegs schneller hinterherkommt -selbst Ideonella sakaiensis braucht mehr als drei Jahre für den Abbau eines hauchdünnen Films hochkristallinen PETs. Und Du zoomst heraus, und erkennst, dass das ewige Plastik über die erdeigenen Autobahnen durch die ganze Welt verteilt wird – überall wird Plastik sein, und überall ist Plastik. Und das Plastik wird immer kleiner und kleiner, schwimmt bereits mit dem Plankton durch die Meere, wird von Fischen gefressen und ist so längst im Kreislauf des Lebens angekommen – auch bei uns, wo Mikroplastik unlängst in unser Erbgut interkaliert ist. Und mit jeder Generation wird die Frage deutlicher: Bis wann sind wir noch Menschen, und ab wann sind wir Plastik?
Trägst du deinen Nerzkragen aus Plastik mit Stolz?
Du schreckst auf mit dem schalen Geschmack von Chio Chips in Deinem Mund. Ein Schluck noch aus der Flasche Volvic. Zeit zum Zähneputzen.
Alles ist aus Plastik.
Die Bildern entstanden im Rahmen eines Fotoshootings für meine Mappe im Nachtklub Fundbüro. Für die Outfits im Bild nutzte ich ausschließlich Plastikmüllbeutel. Die Musterung des grauen Outfits wurde durch gezieltes Schmelzen mithilfe eines Bügeleisens geformt. Das rote Outfit wurde mithilfe einer Falttechnik präpariert.