“Die Ästhetik von Schrift geht über die Lesbarkeit hinaus und ist mehr als ein Austausch von
Informationen”
Kalligraphie findet sich in der Kulturgeschichte vor allem dort, wo das Abschreiben geistlicher Texte selbst
zu einem sakralen Vorgang wird. Wie beispielsweise die Kopie der Bibel im Christentum oder die Basmala
im Islam. Speziell in der islamischen Kultur finden bildliche Darstellungen und Abbildungen häufig wenig
Akzeptanz, wodurch die Schrift selbst zu einem illustrativen Werkzeug wird. Auch in der chinesischen und
japanischen Schriftkultur ist die Kalligraphie ein wichtiger Bestandteil. Die Lesbarkeit tritt hier in den
Hintergrund, während die Erzielung einer ästhetischen Ausgewogenheit und das Visualisieren von
Emotionen beim Pinselstrich eine große Rolle spielen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der arabischen und der lateinischen Schreibweise ist die
Schreibrichtung selbst. So wird in der lateinischen Schrift dextrograd, also rechtsläufig und in der
arabischen Schrift sinistrograd, also linksläufig geschrieben und gelesen. Um die Wirkung der einzelnen
Elemente zu erforschen, gilt es, die Richtungsmerkmale möglichst außer Acht zu lassen. Um in einem
weiteren Aspekt die Richtung zu minimieren, werden die Zeilen kreisförmig angebracht. So verschwimmt
der Anschein von Anfang und Ende. Um die Richtungslosigkeit zu unterstützen, sind die Elemente gegen
den Uhrzeigersinn, also sinistrograd, angeordnet. Die einzelnen Zeichen werden Teil eines
homogenen Schriftbildes, dessen inhaltlicher Sinn einzig in der ästhetischen Erfahrung liegt.
Der Betrachter stellt sich oft die Frage nach dem Inhalt des Textes. Auch wird oft gefragt, ob es sich um
arabische Schriftzeichen handelt. Man könnte davon ausgehen, dadurch, dass keine direkte dextrograde
Zeile erkennbar ist, der Betrachter sofort von einer sinistrograden Schreibweise ausgeht. Zudem entsteht
eine visuelle Harmonie zwischen den rechts- und linksläufigen Schriften. Das Erforschen und
Experimentieren mit den Bestandteilen der Schrift bekommt eine rein subjektive Rolle, sodass die Ästhetik
von Schrift über die Lesbarkeit hinaus geht und mehr als ein Austausch von Informationen ist.
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