Ich beobachte und konstruiere die Anderen. Sehen ist physisch, doch die menschliche Wahrnehmung ist begrenzt. Ein Bild ohne Horizont impliziert, dass die, die blicken, nicht Mittelpunkt der Welt sind.
Die Videoinstallation »Zoom Out, Zoom In, Stay Inbetween« zoomt in, out, und inbetween Bildpolitiken und Selbstverortung. Dabei bespricht sie verschiedene Formen des Sehens: das gewaltvolle, herrschaftliche und ausbeuterische Sehen von oben (auf die Erde und auf andere Menschen) und den Versuch, für ein neues und gewaltarmes Sehen, von subjektiven Perspektiven geleitet zu sensibilisieren. Der Blick moderner Überwachungstechnologien von oben wird Interviews auf Augenhöhe mit Freund:innen, die eine Erfahrung von Dislokation gemacht haben, gegenüber gestellt.
Der Begriff des Anthropozän als das sogenannte »menschgemachte geologische Zeitalter« ist eine der prominentesten Beschreibungen unseres derzeitigen, selbstzerstörerischen Umgangs mit dem Planeten Erde. 1968 sieht eine globale Weltgemeinschaft zum ersten Mal ein Farbbild der Erde, das während des Fluges von Apollo 8 im Orbit des Mondes geschossen und »Erdaufgang« (engl. earthrise) benannt wird. Das Bild impliziert die Vorstellung einer einheitlichen Welt, einer »planetarischen Einheit«, gesehen aus der »god’s eye« (dt. Gottes-Auge) Perspektive.
Welches Weltbild ist in unsere Wahrnehmung eingebrannt, wenn wir täglich Satellitenaufnahmen von der Erde als Repräsentation des Planeten zu sehen gegeben bekommen? Führen die Erfahrungen von Dislokation, Entortung und Bewegung zu einem anderen Sehen, einer anderen Wahrnehmung?
»Zoom Out Zoom In Stay Inbetween« stellt zwei konträre Darstellungsformen und Ästhetiken gegenüber: Der Blick von oben, das Bild des blauen Planeten, aufgenommen aus dem Orbit von Satelliten, eine gängige Darstellung des Anthropozän, die die vielen subjektiv gelebten Perspektiven auf der Erde verdeckt und aus dem militärisch-industriellen Komplex entstammt.
Dem gegenüber hat die Künstlerin in 9 Interviews versucht, Lösungen zu finden, die sich explizit gegen das herrschaftliche Sehen richten und eine andere Weltkonstruktion darstellen. Die Videos zeigen subjektive Perspektiven auf Migration und Dislokation. Die Interviewten definieren sich nicht durch nationale Identitäten oder geografische Örtlichkeit. Die Arbeit fragt, wie wir Bilder und Realitäten herstellen können, die keine eindeutige Verortung, keine feste Identität, keine Heimat oder Verwurzelung vorgeben.
Thea Josepha Konatsu (*1995 in Stuttgart) verbrachte ihre Kindheit in Japan, Deutschland und China. Sie ist Medienkünstlerin, Vermittlerin und Musikerin. Ihre Videoinstallation »Zoom Out, Zoom In, Stay Inbetween« ist ihre Abschlussarbeit an der Kunsthochschule Kassel und war in der Examensausstellung 2020 in der Documentahalle zu sehen. Seit 2015 studiert sie bei Bjørn Melhus, Johanna Schaffer und Rosa Menkman. Von 2017-2018 verbrachte sie ein Jahr an der Taipei National University of the Arts in Taipei, Taiwan.
In ihrer Arbeit beschäftigt sich die Künstlerin mit der oft konfliktreichen Vielfalt unterschiedlicher Kulturen und der damit verbundenen, eigenen Positionierung und Verortung in einer globalisierten Welt. Sie forscht zur Entstehung von Weltbildern, Dislokation und den Chancen eines neuen Sehens durch Erfahrungen von geografischer Bewegung. Wie können Künstler:innen Bilder und Visualitäten anbieten, die gewaltarm sind und ein ebenbürtiges Sehen zwischen der Besucher:in und der Erzählenden ermöglichen?
Thea Josepha Konatsus Arbeiten wurden beim Dokfest Kassel, Stuttgarter Filmwinter, Musraramixfestival Jerusalem, African Smartphone Festival Lagos und in Ausstellungen in Kassel, Leipzig und Taipei gezeigt. Ihr experimentelles Video »The Order of the Universe is Disorder« wurde 2020 für den Goldenen Herkules Preis des Kasseler Dokfest nominiert.
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