In der Videoinstallation "Wald der Dinge" befasst sich Manuel Tozzi mit der gesellschaftlichen Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf das Mitbestimmungsrecht der*des Einzelnen hat. Ausgangspunkt der Arbeit ist die Bayrische Forstordnung aus dem Jahr 1568 und Tozzis wissenschaftliche Arbeit „Der alphanumerische Textraum als Autoritätsquelle in der digitalen Revolution“. Den in Althochdeutsch verfassten Forstschriften kann man entnehmen, dass die vielfachen Missstände, verursacht durch massive Rodung, Krankheitsbefall und der Überbewirtschaftung der Wälder, das natürliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht brachten.
Die ordnungsgebenden Forstschriften waren der schreib- und leseunkundigen Bauernschaft des Mittelalters nicht zugänglich, obwohl sie über deren Einschränkungen und Freiheiten entschieden. Wenn man davon ausgeht, dass der Code, mit dem eine Computersoftware programmiert ist, ebenfalls dessen Aufbau und Organisation bestimmt, kann man eine Verbindung zu forstwirtschaftlichen Ordnungen erkennen. Von dieser geschichtlichen Quelle ausgehend, hinterfragt Tozzi die vom Menschen geschaffenen beziehungsweise beeinflussten Lebensräume und die sprichwörtlich auf Sand gebauten Architekturen der digitalen Gesellschaft.
DIESE ZEICHEN,
SIE BEWEGEN SICH AUS EIGENEM ANTRIEB.
ABER ICH KANN SIE NICHT LESEN,
ICH HABE ES NIE GELERNT.
KÖNNT IHR SIE VERSTEHEN?
(Exzerpt aus dem Monolog TEIL 1)
Heute wissen wir, dass die Wälder Europas über weite Pilzgeflechte miteinander verbunden sind und Informationen austauschen. Dieses Phänomen wird oft als „Internet des Waldes“ bezeichnet und stammt ursprünglich aus der Begriffswelt der Computertechnologie.
Die Installation "Wald der Dinge" ist inspiriert von dem Phänomen, das in den Kultur- und Medienwissenschaften als “Wiederkehr der Dinge” bezeichnet wird. Dinge, Artefakte und Gegenstände werden dabei nicht nur als Objekte für Subjekte verstanden, sondern sie können eine eigene Handlungsfähigkeit erlangen, wodurch die Handlungsmacht des Menschen relativiert wird.
Das sogenannte „internet of things“, dass für die Vernetzung technischer Geräte steht und sich im Titel der Arbeit widerspiegelt weist darauf hin, dass die Objekte im Mittelpunkt der Informationstechnologie stehen und Dichotomien wie Real und Imaginär oder Subjekt und Objekt in einer technologisch-vernetzten Gesellschaft neu definiert werden müssen.
ES GIBT KAUM SCHATTEN,
DA DIE BÄUME KEINE BLÄTTER TRAGEN.
EIN HITZIGER TRAUM,
LÄSST ER MICH DIESE DINGE SEHEN?
(Exzerpt aus dem Monolog TEIL 2)
Der Wald der Dinge erzählt die fiktive Geschichte eines mittelalterlichen Forstknechts, den Tozzi mit seiner Stimme und mit Hilfe des Motion Capturing Verfahrens animierte.
Der Künstler nützt dabei das dem Essayfilm entliehene Charakteristikum des kommentierenden, emotionalen Subjekts, das auf humorvolle und metaphorische Weise mit den harten Realitäten konfrontiert wird. Die Kommentare richten sich dabei direkt an die Betrachter*Innen, lassen aber auch Freiraum, den die aktiv mitarbeitenden Zuschauer*Innen mit eigenen Assoziationen füllen müssen, um die einzelnen Annäherungen zu überbrücken. Während die Betrachter*Innen der Installation um die echten Nadelbäume gehen, welche die Projektionsflächen der Videos im Ausstellungsraum umgeben, werden sie Teil einer unerwarteten Begegnung des Forstknechts mit beweglichen, "anthropomorphen" Schriftzeichen. Dabei spricht der Waldarbeiter über Thematiken wie den Klimawandel, den Analphabetismus und die eigene Selbstbestimmung im Zeitalter zukunftsvorhersagender Technologien, wodurch eine Brücke zu den Problemen des 21. Jahrhunderts geschlagen wird.
Mehrkanalvideoinstallation
2'20'' (Endlosschleife)
2020
*falls benötigt, können mehr Bilder nachgereicht werden.
Weblinks