Das Werk Untitled #1 (brides) aus dem Jahr 2021 zeigt wechselnde Fotografien in drei digitalen Bilderrahmen auf einem Regalbrett nebeneinander stehend.
Die digitalen Fotografien speisen sich aus dem gleichnamigen digitalen Triptychon (3x 50×70 cm, 2021), welches als archivarisches, fortlaufendes Fotografieprojekt konzipiert ist.
Die dort gesammelten und nach Motiven geclusterten Fotografien von Bräuten entstammen einer Internetplattform, auf der gebrauchte Kleidung verkauft wird, wobei die dort gefundenen Bilder nicht verändert wurden.
Als Narrativ aufgebaut, zeigt die linke Seite des digitalen Triptychons klassisch inszenierte -wenngleich von den Verkäuferinnen anonymisierte – Hochzeitsfotografien, wohingegen die Mitteltafel an Dramatik gewinnt, indem die Ehemänner von den Verkäuferinnen teils wild übermalt oder überdeckt, teils regelrecht ausgelöscht wurden.
Die rechte Seite offenbart das authentische, wesentlich weniger glamouröse "Danach", bei dem ein voyeuristischer Einblick in die beengt erscheinenden Wohnverhältnisse der Bräute ermöglicht wird.
Vor allem auf der rechten Seite wird daher der Bezug zu Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" deutlich. Nachdem die Frauen sich zunächst an ihrem großen Tag in prachtvollen, öffentlichen Räumlichkeiten inszeniert haben, zeigen sie sich hier in ihren wesentlich bescheideneren Privaträumen, um das einst wertvolle Hochzeitskleid zu verkaufen.
Haben diese Frauen ein abschließbares Zimmer für sich alleine, um störungsfrei zu denken und zu arbeiten? Haben diese Frauen genug Geld, um ihren eigenen (künstlerischen) Ideen nachzugehen und eventuell kreativ tätig sein zu können? Die hochgeladenen Bilder, von denen das Triptychon nur einen Bruchteil zeigt, lassen dies bezweifeln. Die Aktualität Woolfs Forderungen wird damit offenkundig.
Der übergeordnete feministische Aspekt der Arbeit liegt in der Idee der Ehe selbst begründet, zumal, wenn wir einen Schlüssel für Gewalt gegen und Unterdrückung von Frauen suchen, ihn in der Institution der Ehe als Fundament hierarchisch-patriarchaler Strukturen finden (Stoverock, 2021, 295). Meike Stoverock legt in ihrem Buch Female Choice eindrucksvoll dar, dass die Ehe nur entstanden ist, um Männern lebenslang Zugang zu Sex zu gewähren, damit sie Kapazitäten frei haben für den Aufbau und die Gestaltung ihrer äußeren Welt (ebd., 300). Das damit einhergehende Einschließen eines monogynen Paares in den eigenen vier Wänden (im Vergleich zum Gruppenleben vor der neolithischen Revolution) hat häusliche Gewalt somit überhaupt erst möglich gemacht.
Paradoxerweise ist gleichzeitig kaum ein Thema noch heute so idealistisch überfrachtet, wie die Idee von der monogynen Paarbeziehung, die ein Leben lang hält (ebd., 298). Die vielen Symbole und Traditionen, die die Hochzeit umgeben, werden ungeachtet ihres frauenverachtenden Ursprungs, sowohl von Frauen als auch von Männern vor allem als romantisch angesehen.
"Der Vater, der die Braut wie einen Besitz dem Bräutigam übergibt, führt seine Tochter heute selbstverständlich als „liebevolle Geste“ zum Altar. Das weiße Kleid, das Jungfräulichkeit symbolisiert und damit eine direkte Linie zu den kindlichen Bräuten des Altertums bildet, ist heute ein „Traum in Weiß“. Der Ehering gilt nicht der Besitzanzeige und als Empfangsbestätigung der Mitgift wie im antiken Rom, sondern ist heute ein „Schmuckstück“. Repression wird Lifestyle" (ebd.).
Die narrative Nebeneinanderstellung der unterschiedlichen und doch so ähnlichen Hochzeitsbilder soll daher die Romantik des vermeintlichen Individualerlebnisses mitsamt seiner misogynen Symbolik dekonstruieren und die Idee der ewig währenden Zweierbeziehung in Frage stellen.
Literatur: Stoverock, M. (2021): Female choice – Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation. Stuttgart: Tropen Sachbuch.
Sehr interessant und durchaus auch humorvoll. Wird die Arbeit auch in der Galerie zu sehen sein?
Eine tolle Arbeit. Bis heute ist das Konzept der Ehe ein eher fragwürdiges, dass es zu hinterfragen gilt. Mit diesen Arbeiten ist es der Künstlerin gelungen einen kreativ künstlerischen Bogen zwischen der Positionen der Frau von heute und damals zu spannen, wo sich abschließend die Frage stellt, in wie weit sich diese tatsächlich voneinander unterscheiden…
Wow, ein sehr tolles Konzept und bestimmt auch eine tolle eigenständige Position