Der Pilz ist das größte Lebewesen der Welt. Im allgemeinen Sprachgebrauch steht 'Pilz' für den sichtbaren Fruchtkörper. Der Pilz besteht jedoch aus sichtbaren und unsichtbaren Teilen. Die Gesamtheit aller fadenförmigen Zellen eines Pilzes oder Bakteriums nennt man Myzel – es ist nachhaltig, lebendig, vernetzt und in ständigem Austausch. Pilzmyzelien können eine Größe von über einem Quadratkilometer, eine riesige biologische Masse und ein hohes Alter erreichen: ein Hallimasch-Myzel mit einer Fläche von 9 km2, einem Alter von geschätzt 2400 Jahren und einer Masse von rund 600 Tonnen gilt als größtes Lebewesen der Erde. Pilze können mit fast allen organischen oder anorganischen Materialien Verbindungen eingehen und sind auch soziowissenschaftlich durch die Vernetzung und durch den freien Austausch von Substanzen großem Interesse.
Heute werden Pilze und explizit das Myzel als Baustoff und als Müllvertilger vielfältig erforscht – Wissenschaftler vermuten, dass Myzele bis zu einem Drittel unserer Emissionen durch fossile Energieträger absorbieren. Der Fachbereich für angewandte und molekulare Mikrobiologie an der TU Berlin (Prof. Vera Meyer das SciArt Kollektiv MY-CO-X), das KIT Karlsruhe Fachbereich Architektur und andere beschäftigen sich mit dem Myzel und stehen für die Verknüpfung von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft – diesen Ansatz wollen wir in Fachsenfeld präsentieren.
Zentral für die künstlerische Arbeit des Aalener Künstlerkollektivs ist immer die Frage 'Was braucht dieser Ort?': die Sichtbarmachung der verborgenen oder weniger offensichtlichen Wurzeln des vielfältigen Geländes mit Park und Schloss Fachsenfeld. Deshalb entwickeln wir ein Kunstlabor das durch zeitgenössische künstlerische Ansätze nachhaltige gemeinschaftsbildende Impulse setzt. Es ist ein wunderschöner gediegener Park mit traumhaft schönen ebenmäßig gewachsenen Bäumen, umgeben von herrschaftlichen Gebäuden – äußerst spannend vor Ort buchstäblich den historischen Wurzeln, den Baumpilzen im Arboretum und den unterirdischen Pilzverflechtungen nachzugehen!
Das Wertvolle des heimatlichen Bodens, die historisch gewachsene Netzwerke von Ort und Menschen, die Räume vor Ort werden zum Kunstlabor und in unterschiedlichen künstlerischen Herangehensweisen: Collagen, Fotografien, Zeichnungen, Installationen, tatsächlichen Pilzzüchtungen, Kleinplastiken aus Myzel, Kunstwerke aus Stoff durch Pilze gefärbt, Workshops mit Besuchern, … sichtbar und erlebbar gemacht. Außerdem fasziniert das Myzel in seiner einfachen und komplexen Vielfalt als gewachsener witterungsbeständiger Werkstoff auch durch die Möglichkeit selbst im Freien zur Skulptur zu werden.
Pilzgeflechte, Wurzelwerk, Knollen, Erde, Verbindungen, Koexistenzen, Wachstum, Schutz, Lebendigkeit.
Die Myzelien visualisieren die Themen Netzwerk – Zusammenarbeit – Kooperation von Alt und Jung – Austausch – voneinander Profitieren – Perspektivwechsel – Umdenken. Die Funktion der Myzelien im Lebenszyklus der Flora und Fauna: Versorgung – Wandel – Wachsen und Vergehen – Lebensenergie – Botenstoff – nachhaltiger Baustoff steht symbolisch für Schloss Fachsenfeld als Kulturinstitution.
Unser künstlerisches Forschungslabor wird während der Ausstellung für die Bürger*innen erlebbar. So wird in unserer künstlerischen Recherche und Visualisierung der Entstehungsprozesse von Myzelkunstwerken genau die Verbindung von Innovation, Kunst und Natur – die auch Reinhard von Koenig versinnbildlichte – von vor 200 Jahren bis heute und zukunftsweisend.
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