


Mein Ziel wäre, die Entwicklung einer SW-Fotoserie, die das Spannungsfeld Mensch/Umgebung tiefgreifender untersucht. Realisiert werden sollen sowohl Portraits als auch Architekturaufnahmen und das Wichtigste dabei ist, dass die Bilder zwischen diesen beiden Polen vermitteln. Für diesen Zweck sollen diverse Planstädte besucht werden, dort ansässige Vereine/Organisationen und Einzelpersonen
angeschrieben und interviewt werden. (erster Besuch in Forst und Eisenhüttenstadt, Februar 2021)
Ziele sind zum Beispiel:
– Halle Neustadt (größte Plattenbausiedlung Deutschlands)
– Eisenhüttenstadt (sozialistische Planstadt aus den 50er Jahren)
– Neue Stadt Wulfen (Planstadt für 50.000 Einwohner heute wohnen
dort ca. 15.000 Menschen)
Literatur zum Projekt
– Kassandra Visionen des Unheils 1914-1945 (künstlerischer Umgang mit Dystopie)
– Gebaute DDR. Über Stadtplaner, Architekten und die Macht
– Die Gebaute Welt. Psychologie der Architektur
Ein Teil meiner Arbeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Mensch und seinem Lebensraum. Dabei stellt sich mir die Frage: Wo lassen sich diese soziologischen Spuren der Teilhabe bzw. Verweigerung aufspüren, wie sind sie zu deuten und fotografisch zufesthalten? Bei meiner Forschung ist die Erkenntnis gereift, dass die Freiheit der Mitgestaltung, gerade im urbanen Raum, nur einem kleinen Teil der Bevölkerung vergönnt ist. Auf der anderen Seite lebt der Löwenanteil der Gesellschaft in einem seit Generationen zementierten Umfeld. Dieses Umfeld ist meistens eine nach generalisierten Bedürfnissen ausgerichtete Architektur. Das Individuum, mit seiner oft nicht linearen Biografie, taucht hier als störender Faktor am äußersten Rand auf. In meinen Bildern kehrt der Mensch, wieder auf die für ihn ungefragt errichtete Bühne, zurück. Wenn man ihm mit Empathie begegnet, werden die von ihm bewusst/ oder unbewusst hinterlassenen Spuren sichtbar. Diese können für allgemein gültige soziologische Überlegungen herangezogen werden. Ein Beispiel hierfür könnte sein: Die Entscheidung, das Treppenhaus eines Plattenbaus mit einem Plastikblumenarrangement zu verschönern, wird tausendfach im Land unabhängig von einander getroffen. Eine Geste, die in kollektiver Bewusstlosigkeit ausgeführt wird, in der aber deutlich der Wunsch eingetragen ist, in dem halböffentlichen Raum eine individuelle Spur zu hinterlassen. Der unter dem Einfluss von Ideologien, Zukunftsvisionen und Wirtschaftsinteressen gewachsene Raum ist ständigen transformierenden Prozessen unterworfen und kann, im Extremfall, seinen Aktualitätsanspruch vollständig verlieren. Diese Transformationprozesse sind in weiten Teilen Deutschlands sichtbar, angefangen im Ruhrgebiet, dem östlichen Schleswig- Holstein bis zu hin zu den strukturschwachen Regionen in den neuen Bundesländern. Der für mich interessante Teil daran ist der “Zwischenzustand”, die kurz vor dem Abriss noch bewohnte Architektur. Die Bausubstanz behält bis zum Schluss einen Teil ihres ideologischen Versprechens, während der Bruch dieser Verheißung jedoch allgegenwärtig ist. So ändert die Geschichtsschreibung oft beiläufig das Vorzeichen. Ideologien verschieben sich, und auch die Architektur kann durch ihre Umstrukturierung oft auf einen zweiten Frühling hoffen. Die Menschen jedoch, die diese Räume bewohnen, tragen entweder diesen Bruch in sich oder sind von jenen vollständig entkoppelt, weil sie einer anderen Generation angehören oder eine andere kulturelle Prägung erfahren haben. Ein besonders geeignetes Umfeld für dieses Vorhaben scheinen sogenannte Planstädte zu sein. Hier kommen viele dieser Faktoren zusammen und spitzen sich zu.