Im Juli 2003 lieh mir Axel Holm spontan seinen Original Ulmer Hocker für meine Performance „Rosen, Tulpen, Nelken…“ anlässlich der Eröffnung meiner Einzelausstellung „Stoff“ in seiner Galerie.
Ich schnitt 3 Blümchen aus einer alten Bluse und legte sie fein säuberlich in Schächtelchen, die mit Watte ausgepolstert waren. Die Performance fand insgesamt dreimal statt, 2002 in der Galerie Smend in Köln und ein letztes Mal 2010 beim Kunst-Aktions-Festival im artclub Köln. Hierzu bügelte ich vorher die ausgeschnittenen Teile mit Vlisseline in die passenden Löcher in der Bluse, was niemand merkte.
Beim letzten Mal übergoss ich die Blümchen in den Schächtelchen mit aufgefangenem Menstruationsblut, das ich in zuvor in einem kleinen Filmdöschen eingefroren hatte. Ich sagte dazu: „ Dies ist mein Blut, das für euch, liebe Blümchen vergossen wird.“ Das Blut stank zunächst. Das Verbluten und Zerstören meiner alten geliebten Kleidung, von der ich vorher nur saubere Teile für meine vielen Stoffobjekte verwendete, schien mir ein angemessene Reaktion auf das Leid, das ich zuvor durch litten hatte. Ich legte die Stoffschächtelchen samt der löchrigen Bluse zu meiner gleichzeitig stattfindenden Ausstellung „Stoff“ in einem kleinen Raum des Artclub, bei der ich zum ersten Mal viele verblutete Schnipsel verarbeitet und bestickt hatte und auch das verblutete Hochzeitskleid einen versteckten Auftritt hatte.
Dieses Kleid hatte dort 2014 in einem anderen Kontext und zusammen mit digitalen Arbeiten einen großen Auftritt.
Zurück zur Galerie Holm und dem Ulmer Hocker: Herr Mäntele und Frau Reinhardt waren bei der Performance anwesend, verfolgten sie und zollten mir Respekt.
2011 machte ich im Ulmer Museum zur Kulturnacht eine Performance mit Schokoladetalern mit dem Titel „Sterntaler“. Martin Mäntele leitete damals die Institution. Zum Dank kaufte er mir danach eine Komposition aus 9 Stoffobjekten fürs Museum ab. Als ich das Pressefoto der Neu-Ulmer Zeitung mit dem Hocker nun heraussuchte, stellte ich fest, das rechts mein Original Konfirmationskleid darauf zu sehen ist. 2003 hingen neben dem Kleid zwei Stoffobjekte, für die ich einen kleinen Schnipsel, den ich an einer unauffälligen Stelle vom „kleinen Schwarzen“ entnommen hatte. Meine Mutter nähte das Kleid 1970. Auch ein Foto von diesem Tag gehörte zur Installation. Die beiden Objekte verkaufte ich 2004.
Später zerschnitt ich den Rock des Kleides und kombinierte die schwarzen Teile mit Ausschnitte eines bunt gestreiften Schals aus alten Wollresten, den ich auf einem Foto trug, das mich hochschwanger zeigt. Die neunteilige Komposition ist seitdem zusammen mit dem Konfirmationsfoto und dem mit Schal und dickem Bauch im Ulmer Museum. Das eine zeigt einen, für meine Familie wichtigen, Tag, Mir gefiel, dass ich richtig Mini tragen durfte, was bei meiner pietistisch geprägten Familie lange verpönt war. Die Schwangerschaft empfand ich als eine sehr glückliche erfüllende Zeit. Nachwuchs, ein Wunder! Gibt es mehr Kreativität unter uns Menschen als in der Natur? Nein. Ich bin sehr glücklich über die Wertschätzung dieser Objekte von Martin Mäntele.
Nun landen dieser Text und diese Fotos auf dieser schönen Plattform und in der HfG, die er seit Jahren leitet. Ist das einfach nur Zufall, wie sich hier eins zum anderen fügt? Es macht mich sehr glücklich.
Ruth Knecht 2021
www.ruthknecht.de
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