PAGAN LOVE SONGS DISTURBANITY GRAPHICS
Das eingereichte Design ist nicht zu erklären ohne einen kleinen Ausflug in die Geschichte der Subkultur.
Die Discothek ZWISCHENFALL in Bochum existierte von 1984 bis 2011, als das Gebäude einem Brand zum Opfer fiel. Das Zwischenfall war ein Veranstaltungsort der NewWave – Szene, legendärer Anlaufpunkt für musisch gesonnene Nachtschattengewächse. Ob Minimal Synth, Deathrock, Gothic Rock, Post-Punk, Industrial, EBM, Dark Punk oder Horror-Punk, dort fand es statt. Dort konnte mensch im Dunkeln und im Trockeneis sehen und gesehen werden, im denkbar wildesten und gefährlichsten, androgynsten, unheimlichsten oder schlicht bestangezogensten Style.
Wikipedia sagt: „Das Zwischenfall war prägend für die deutsche Wave-, Dark Wave-, aber auch für die Punk-Szene der 1980er Jahre. Das Programm unterschied sich deutlich von anderen Clubs, da viel Wert auf eine ausgewogene Musikauswahl gelegt wurde, während auch in der Entwicklung der Schwarzen Szene schnelllebige Trends und temporäre Hypes starken (oft als zu kommerziell angesehenen) Einfluss auf das Musikprogramm der Clubs haben.“
Im Zwischenfall war ich zum ersten Mal mit 14 selbst Gast, mit dem Gefühl, einer besondere Auszeichnung teilhaftig geworden zu sein. Auf musikalischer und künstlerischer Ebene wurden im Zwischenfall Charaktere geprägt und Karrieren jenseits de Maistream begonnen.
„Pagan Love Songs“ war der Titel einer schwarzen Tanznacht im Zwischenfall, bei der die Thyssen-Brüder Ralf und Thomas, DJs, Veranstalter und Protagonisten der Szene, von 1999 an Platten auflegten (ja: Vinyl! Cds aus einem großen Koffer gab es auch.). Wer die Szene kennt, weiß, dass Grufties unerbittlich feiern können.
Schließlich veröffentlichten die beiden Wave-Aktivisten im Zusammenhang mit den zahlreichen von ihnen dem Publikum vorgestellten Bands – und anlässlich der Jubiläen der PAGAN LOVE SONGS – im Abstand von jeweils fünf Jahren drei Compilations. Für das Design wurde ich angefragt, hatte auch ich dort viele Nächte auf der Tanzfläche verbracht, mit meiner Band dort gespielt – und schon in den frühen Neunzigern als Graffitimaler den Laden gestaltet. Der Aufwand war so ehrenhaft wie umfangreich – es entstanden Cover Artworks, Poster und T-Shirt-Graphics für klassische Umsetzung: white screenprint on black shirt. Die Prints haben bis heute Bestand, ebenso wie die damalige Idee eines Konzepts aus der Szene für die Szene.
Todes-Ästhetik spielte im klassischen New Wave-Look der 80er eigentlich visuell keine Rolle. Das platt Direkte, ohne Understatement Daherkommende, überliess man lieber den Metallern. Das Gleiche gilt für Bezugnahmen auf Teufel und Dämonen. Anders verhält es sich natürlich mit der Hinwendung zu Vergänglichkeit und Tristesse, mit der Melancholie und der Romantisierung des Schrittes ins Jenseits. Im Deathrock, dieser speziellen Verbindung von Elementen aus Goth und Punk, werden die visuellen und textlichen Stimittel einer ironischen Übertreibung unterzogen: Blut und Knochen sind selbstverständlich.
Was den Horror betrifft, ist in meiner Assoziation im Goth eher die subtile Literatur von Edgar Allan Poe und H.P. Lovecraft relevant, wenn das Unheimliche in surrealer Form sich Bahn bricht. So war auch die Grundlage meiner Illustrationen für die Pagan Love Songs der Code eines zwar beunruhigenden, aber auch rätselhaft seltsamen Geschehens.
Weblinks