Frauen waren in der viktorianischen Zeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Aber Frauen sind auch heute noch nicht wirklich frei, was ihre Entscheidung angeht, wo sie sich wann und wie aufhalten. Jede Frau kennt bis heute das Gefühl, dass es Orte und Gelegenheiten gibt, wo sie besser dafür sorgt nicht da zu sein. Oder sich unsichtbar zu machen.
Das kann ganz banal der nächtliche Weg nach Hause sein oder ganz real der Platz im Vorstand eines Dax-Unternehmen sein. Das ist das Internet, in dem Frauen besonders viel Hass und Ablehnung entgegenschlägt. Die Experten-Runden, die eben keine Expert:innen-Runden sind. Es ist immer noch eine Welt des generischen Maskulinums, in der Frauen irgendwie mitgemeint sind.
Frauen stoßen in der Wirtschaft und Gesellschaft oft immer noch an gläserne Decken oder unsichtbare Mauern. Es tun sich Kommentarspalten in sozialen Medien auf, in denen Frauen und Frausein bekämpft werden. Gebaut aus Tabus, Klischees und Vorurteilen:
„Du kannst das nicht.“
„Du darfst das nicht.“
„Die Gesellschaft ist noch nicht bereit dafür.“
Zwar ist unsere Gesellschaft für Frauen insgesamt viel freier geworden – insbesondere im Hinblick auf das viktorianische Zeitalter. Frauen leben selbstbestimmt und selbstbewusst. Trotzdem kann man von echter Freiheit im Sinne von männlicher Freiheit in der Gesellschaft immer noch nicht sprechen. Frauen werden immer noch auf bestimmte Räume zurückgeworfen. Immer noch wird ihnen – vor allem von Männern – ihr Platz im Leben zugewiesen.
Mein Werk „Miray on Speed” zeigt genau dies: Eine junge, moderne Frau, zurückgeworfen auf einen begrenzten Raum und gefangen in einem Netz aus gesellschaftlichen Zwängen, die Frauen immer noch eingrenzen und ausgrenzen. Die Frau selbst ist in ihrem Raum reduziert auf sich und ihr Frau sein.
Sie sieht vordergründig gefangen aus, aber dies ist nur ein Teil der Wahrheit.
Ihre Embryohaltung ist einerseits natürlich wieder ein Reminiszenz an die Weiblichkeit an sich, denn nur Frauen können neues Leben auf die Welt bringen. Andererseits ist sie das Symbol für die Geburt eines neuen Frauseins, eines neuen Feminismus, der sich neue, weitere Räume in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erkämpfen wird.
Eine neue Generation, von Feministinnen erblickt das Licht der Welt und sprengt weitere Ketten, erkämpft weitere Rechte und erobert weitere Räume. Feminismus ist nie ein Ende, sondern immer ein Anfang. Immer ein Kampf, nie ein Waffenstillstand. Immer ein Dualismus aus Erreichtem und Unerreichtem. Jede Generation verhandelt dies immer wieder auf das Neue.
Dies symbolisiert „Miray on Speed“ mit hoher Emotionalität und modernem, künstlerischem Anspruch. Und gibt beidem – sowie der Frau – einen neuen Raum im Sinne Virginia Wolffs.
Miray on Speed Part one, Digital Print on Demand, 356 x 252 cm, 2006