MAMA RHIZOMA
„Die Erde ist meine Mutter, und an ihrem Busen will ich ruhen.“ *(1)
„Der Baum und die Wurzel zeichnen ein trauriges Bild des Denkens, das unaufhörlich, ausgehend von einer höheren Einheit […] das Viele imitiert. […]“ *(2)
Der Begriff Rhizom kommt aus dem Altgriechischen (ῥίζωμα), was in etwa „Eingewurzeltes“ bedeutet.
In der Botanik wird damit ein unterirdisch oder dicht über dem Boden wachsendes Sprossachsensystem genannt, das sich von den Wurzeln unterscheidet. In der Philosophie ist das Rhizom auch ein zentraler Begriff bei Gilles Deleuze und Félix Guattari. Sie bezeichnen damit ein Ordnungssystem, das sich von den vormals bekannten Systemen wie dem Baum des Wissens absetzt, die hierarchisch aufgebaut sind. Verkettungen sind beim rizomorphen Modell in jede Richtung möglich, und die scheinbar chaotischen Verknüpfungen befreien von den definierten Machtstrukturen des Baum-Modells. Auf die Politik übertragen, kann das Baum-Modell auch für gesellschaftlich problematisch erachtet werden, da nach Ansicht von Deleuze und Guattari Diktaturen auf analoge Weise ihre Unterdrückungsregimes gestalten.
Die Technik des Filzens, die als älteste Technik zur Textilerstellung angesehen werden kann, erinnert vielleicht an rhizomatische Strukturen: Die Haare des Schafes werden durch Hitze und Wasser miteinander in einen chaotischen, aber stabilen Verbund gebracht. Demgegenüber stehen Verfahren des Webens, die auf einer geordneten Netzstruktur beruhen. Beide Verfahren möchte ich für eine neue Arbeit nutzen. Seit einigen Jahren arbeite ich mit Schafwolle, welches auf klassische Weise nass- oder nadelgefilzt wird und teils mit Trägermaterialien wie Jute, Gaze oder Mesh stabilisiert wird. Es entstehen teils skulpturale Gebilde, die sowohl an der Wand als auch frei im Raum hängen. In meiner jüngsten Serie „Zeitenwende“ greife ich Tarnmuster und Farben von Armeekleidung und Kriegsausstattung auf. Diese wiederum haben Farben und Formen der Natur zum Vorbild, die die Krypsis der Soldaten perfektionieren soll.
Davon ausgehend möchte ich eine installative Hängung eines aus Wolle und Jute hergstellten „Teppichs“ vornehmen. Die Farbgebung soll sich dabei an der Natur und Umgebung des Schlosses orientieren. Es werden grobe Wollfäden, Locken oder gefilzte Stränge miteingearbeitet, die zum Boden herab hängen. Es können weiterhin Worte, Satzfragmente, Symbole oder piktogrammartige Bilder mit eingefilzt werden, die assoziativ miteinander in Verbindung stehen. Hierzu möchte ich mich auch mit der Ornamentik und Symbolik von Marienteppichen insbesondere in Bezug auf die Darstellung von Weiblichkeit und Natur beschäftigen.
*(1) Tecumseh (1768–1813, Häuptling der Shawnee, Zitat von 1812), aus: Christian F. Feest, Beseelte Welten – Die Religionen der Indianer Nordamerikas, In: Kleine Bibliothek der Religionen, Bd. 9, Herder, Freiburg / Basel / Wien 1998
*(2) Gilles Deleuze, Félix Guattari: Rhizom. Aus dem Französischen übersetzt von Dagmar Berger. Merve Verlag, Berlin 1977
Weblinks