„Wie die allermeisten Fotografien im digitalen Zeitalter sind auch die Bilder von Peter Riedlingers Serie „Love, Reason & Enlightenment“ nachbearbeitet worden. Allerdings nicht durch eine hochpräzise Software, sondern durch die blinde Hand der Zeit. Die damit einhergehende Degradierung könnte sowohl als Katastrophe als auch als Segen angesehen werden: Sie begräbt das ursprüngliche ikonische Sujet teilweise, umhüllt es aber auch mit neuem Leben, in einer chemischen Effloreszenz, die sowohl die Materialität der Fotografie als auch ihre Fähigkeit, uns mit ihrer Geisterhaftigkeit heimzusuchen, deutlich macht. In der unwillkürlichen Alchemie solcher Fundstücke, wie in der kinematografischen Arbeit von Bill Morrison oder der Fotografie von Eric Rondepierre, verleiht die Zeit diesen Bildern eine strahlende Energie: Durch die symbiotischen Bedeutungsbeziehungen, die zwischen dem Originalbild und den korrodierenden Makulationen entstanden sind – ein kleines Kind, das nach etwas im Gras greift, interagiert nun mit drei vertikalen, gliedmaßenartigen Überschneidungen, oder Krankenhauspersonal, das mit noch größerer Schärfe durch einen sich verengenden Fleck lilafarbenen Laubs blickt – können wir wahrhaftig sehen, wie die Fotografie im Wesentlichen ein Prozess ist, eine Entwicklung sozusagen, und nicht das Leben, das arretiert ist.“
Lara Delage-Toriel einführender Text erfasst den Aspekt von Raum und Zeit, die der fotografischen Arbeit unterliegt und differenziert vom eigentlichen Leben. Hier in dieser Serie, found footage werden einzelne Bilder gezeigt, die ursprünglich das exotische Leben dokumentieren sollten, eine Mission, verschrieben der Gründung und Entwicklung eines Krankenhauses in Ghana. Ein ganzes Leben später scheinen die Dinge ein Eigenleben zu entwickeln. Die Verwandlung des Alltags in eine epische Idee von Leben auf zellularer Ebene.
Die Welt ordnet sich neu, die politischen, ökonomischen und ökologischen Systeme scheinen in einer gefährlichen Kontraktion. Gewissheiten sind passé, Unsicherheiten allerorten. Die Anverwandlung, die Aneignung, die Integration des Anderen führt mich schon ein Leben lang zur eigenen Identität: Im Garten liegen die Quitten jedes Jahr im Herbstlaub. Nach zweieinhalb Jahrzehnten in der weiten Welt zog es mich zurück in den Schwarzwald. Ich hatte jetzt selbst eine Mission, meine Mutter, ein altes kleines Haus, ein verwilderter Garten. Mein altes Leben in Berlin konnte ich getrost zurücklassen. Das neue war da. Nun begleiten mich die Quitten ein jedes Jahr und fordern mich heraus. Das Leben an sich ist eine Herausforderung, ja, eine Kunst. Mein Vater fragte mich gerne: „Was macht die Kunst ?“ und meinte wohl doch das Leben. Ich kann mich nicht beschweren, sieht man vom Weltschmerz ab, würde ich ihm heute antworten. Die Quitten wollen bestaunt und verarbeitet sein, auch die Mirabellen, die Zwetschgen, die Äpfel und Birnen, gar die Pfirsiche. Es ist ein Garten, der ohne Dschungel nicht denkbar ist. Mit anderen Worten, ein naturnahes Leben, nah an Wurzeln ist nicht das Schlechteste.