Valeria Garci-Crespo López, 2020, AR Interactive Austellung
Prêt-à-jeter: 92 Mio. Tonnen Abfall an Material und nicht verwendeter Kleidung entstehen jedes Jahr in der Modeindustrie: Das entspricht dem 16-fachen Gewicht der Cheops-Pyramide. Bei uns in Deutschland werden pro Person jährlich durchschnittlich 16,7 kg neuer Kleidungsstücke gekauft. Aber durch geplante Material-Obsoleszenz und dem damit einhergehenden Qualitätsverlust wird Kleidung mehr und mehr zum Wegwerf- oder gar Einwegprodukt.
Am Ende dieser linearen Produktkette wird nicht verkaufte Kleidung verbrannt, an Entwicklungsländer verkauft oder direkt auf Mülldeponien transportiert.
Für Menschen und Tiere lebenswichtige Flüsse werden – wie beispielsweise in China, Indien und Bangladesch – durch die Abwässer der Fabriken und anderer illegaler Produktionsstätten zerstört.
Wie kann es sein, dass wir für den Dumpingpreis von 3 € Kleidung kaufen können, während ein großer Anteil der Menschen in Bangladeschs Kleidungsfabriken nicht mehr als 70 € pro Monat verdient?
Ein komplexes Wirtschaftssystem, welches jede Ethik für sich ausblendet, hat es in seiner grenzenlosen Gier nach Profit und unendlichen Ressourcen geschafft, uns als Konsument*innen zu blenden. Während wir in der Umkleidekabine des Okzidents beim Blick in den Spiegel das Markenversprechen von Freiheit, Bequem- oder Natürlichkeit fühlen sollen, werden auf der anderen Seite in den Entwicklungsländern für unseren Traum Mensch und Natur geschändet und ausgebeutet. Die Grenze zwischen diesen beiden Parallelwelten – dem Shoppingparadies auf der einen und der unbequemen Realität der Ausbeutung auf der anderen Seite – möchte ich in meinem experimentellen Kunstprojekt “Hidden Costs” auflösen.
Via Augmented Reality wird das Shopping Paradies zu einer interaktiven Ausstellung, die den Marken als auch ihren Konsument*innen die unbequeme Wahrheit des Produktions- und Konsumverhaltens aufzeigt. Die Shoppingmeile des Berliner Kurfürstendamms, welcher sowohl Massen- als auch Luxusmarken der Fashion-Branche beherbergt, zeigt in 6 Erlebnis-Sektionen, die jeweils verschiedene kleine Stationen enthalten, die versteckten Kosten der Modeindustrie. Durch AR wird der Konsumraum mit einem Gewissensfaden aus Fakten und Geschichten durchzogen, die die Traumlandschaft der Werbung de-mystifizieren. Jeder Abschnitt der Ausstellung ist an die geografische Position der Einkaufsstraße gekoppelt, und sucht Antworten auf Fragen: Durch welche Hände ist meine Baumwolle gewandert? Wie viel Öl wird benötigt, um Polyester zu produzieren? Wie weit ist meine Jeans gereist, damit ich sie tragen kann? Wohin geht meine Kleidung, wenn sie im Hausmüll verschwindet? All diese Fragen werden während des Einkaufsbummels beantwortet. Interaktive Text- und Audio-Layer bringen unterdessen weitere Fakten und Stories zum Thema hervor.
Das vielleicht Wichtigste: Hidden Costs ist immer präsent. Es nimmt den öffentlichen Raum der Passant*innen ein, und lässt sich nicht so leicht entfernen wie ein mahnendes Banner oder Graffiti.
Das Projekt möchte Teil von “Willkommen im Paradies” sein, weil es mittels AR Technologie zur Gestaltung unseres Verständnisses vom fairen Miteinander auf lokaler und globaler Ebene beiträgt.
Die digitale Layer bringt die versteckten Information aus dem Dunkel und projiziert sie kontextbezogen dort in unseren Alltag, wo es schmerzen soll. Konsument*innen sollen in meiner AR Ausstellung nicht nur ihr Verhalten hinterfragen, sondern auch jene Menschen kennenlernen, die unter den Produktionsbedingungen leiden und deren Umwelt zerstört wird. Der daraus entstehende Diskurs soll uns befeuern, aktiv für ein besseres System zu kämpfen, welches die Natur schützt und den Arbeiter*innen ein würdiges Leben ermöglicht.
Weblinks