Seemöwen gehören zum alltäglichen Erscheinungsbild des Bodensees. Wer kennt nicht das Bild, wie sie Touristen am See umkreisen und auf den einen oder anderen Leckerbissen spekulieren. Oder wie sie hinter den grossen Schiffen der Bodenseeschifffahrt das Kielwasser kreuzen. Mich selber erinnern die Flugkünstler auch an meine Heimat Dänemark, wo ich am Kalundborg-Fjord aufgewachsen bin (ich lebe seit rund 30 Jahren in Feldkirch). Mit meiner Installation „Konferenz der Möwen“ möchte ich auf eine Reihe unterschiedlicher Aspekte, die in Bezug zur Seemöwe stehen, referenzieren.
Laut der „World Bird List“ gibt es 55 unterschiedliche Seemöwenarten. Etliche davon habe ich skulptural in Lebensgröße umgesetzt. Das Spektrum der mit Hilfe von „Drahtskeletten“ und Papiermaché gestalteten Vögel reicht von der Lachmöwe über die Schwarzkopfmöwe und Silbermöwe bis hin zu Heringsmöwen und Zwergmöwen.
Mit dieser Versammlung der Möwen, die ja symbolisch auch für „Freiheit“ stehen, sollen einige schwerwiegende aktuelle Zeitprobleme thematisiert werden. So etwa der Klimawandel, der beispielsweise bewirkt, dass Pflanzen- und Tierarten plötzlich und unvermutet in Lebensräumen wahrgenommen werden, in denen sie bislang überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten sind.
Oder auf die Umweltverschmutzung, besonders der Meere, werden doch immer häufiger in den Mägen und Ausscheidungen der Meeresvögel Mikroplastiken gefunden.
Manche Möwenarten, beispielsweise die Silbermöwe, sind zum Kulturfolger geworden und bevölkern besonders im Winter Müllhalden, Klärteiche und fischverwertende Betriebe.
Möwen sind sehr lautstark, was häufig noch durch ihr geselliges Auftreten verstärkt wird. Ihre Schreie werden oft gereiht stakkatoartig ausgestoßen. In meiner Installation wird dies von einem Soundcluster untermauert.
Aber auch Humor und Ironie sollen bei dieser Installation zum Tragen kommen. Wenn sich etwa menschliches Verhalten im Gebaren dieses Federviehs widerspiegelt. Möwen und Menschen haben nämlich vieles gemeinsam. Beide sind Jäger, Sammler und Räuber, sind flatterhaft, machen mit ihrem Geschrei viel Lärm. Möwen reservieren sich wie Menschen ihre Plätze und behaupten sie. Auch Mobbing ist bei den Möwen an der Tagesordnung. Alle hacken auf dem schon Unterlegenen herum. Es gibt die Alphamöwen und die armen Untertanen. Es gibt die Möwen, die sich nur im Verbund stark fühlen, und es gibt introvertierte Möwen, die sich zurück ziehen und für sich sein wollen. Bei Menschen und Möwen gleichermaßen ausgeprägt ist der große Futterneid. Keine Möwe gönnt der anderen etwas. Hat jemand etwas, gibt es gleich großes Geschrei. Jeder möchte es auch haben.
Möwen können auch sehr frech sein und Touristen Fischbrötchen oder Pommes aus der Tüte oder der Hand schnappen. In manchen Orten an der Ostsee oder auch auf Sylt ist es daher bei Strafe verboten, Möwen zu füttern, um eben Möwen nicht zu solchen Futterangriffen heranzuziehen.
Zur Künstlerin:
May-Britt Nyberg Chromy wurde 1965 im dänischen Herning geboren und lebt und arbeitet seit 1993 als freischaffende Künstlerin in Feldkirch. Ihr Werk ist breit angelegt. Neben Papiermaschee-Objekten spielen auch die Acryl-Malerei sowie Collagen in einer Kombination aus Malerei, Fotografie, Alltagsgegenständen und Textilien eine wesentliche Rolle. Vor allem aber sind es auch Druchtechniken wie Linol- und Holzschnitte, die in ihrem Schaffen breiten Raum einnehmen.
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